Sieben Angriffen schwedischer Truppen und ihrer Verbündeten hatte das unter bischöflicher Herrschaft stehende, katholische Höchstadt um die Mitte des Dreißigjährigen Krieges relativ unbeschadet widerstehen können. Der achte, mit besonderer Heftigkeit geführte An­griff am 10. März 1633 brachte großes Unheil über die Stadt. Nach Einnahme der Ortschaft durch die »Schwedisch-Weymarische Armee«, so geht aus der Inschrift eines Epitaphs aus dem Jahr 1662 hervor, sei »alles niedergehaut und in Brand gesteckt« worden. Ohne Rück­sicht auf Alter, Stand und Geschlecht fiel damals die gesamte Einwohnerschaft den wüten­den Feinden, die beim Sturm der Stadt selbst große Opfer erlitten hatten, zum Opfer. Spuren des überlieferten Massakers traten jüngst bei Bauarbeiten in einem Höchstädter Haus zuta­ge, das vermutlich während der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstand. Es steht etwa auf halber Höhe des sanft abfallenden »Schloßberg«-Nordhanges. Ein Ausschnitt des ehemaligen inneren Befestigungsringes, der bei Errichtung des Anwesens in den Bau­körper integriert wurde, bildete seine nördliche Außenwand. Als letzter von insgesamt drei nach Norden hin vorgelagerten Verteidigungsgürteln war dieser Mauerring ursprünglich dazu bestimmt, den leicht erhöhten Schloßbezirk im Süden der mittelalterlichen und früh­neuzeitlichen Stadt gegen feindliche Eindringlinge abzuschirmen.

Im Rahmen eines umfangreichen Renovierungsprogrammes hatte der Hausbesitzer im Spätsommer vergangenen Jahres mit der Umgestaltung des Kellergeschosses begonnen und zunächst den stark ausgetretenen Fußbodenbelag des nordöstlichen Kellerraumes entfernt. Da der tonnenüberwölbte Raum wegen seiner bescheidenen Ausmaße - 1.80m maximale Höhe bei einer Grundfläche von ca. 4.25m Länge und 3,00m Breite - nur beschränkte Nutzungsmöglichkeiten bot, lag es nahe, bei dieser Gelegenheit das Fußbodenniveau abzusenken, um eine Volumenvergrößerung zu bewirken. Der Umstand, daß nur die mit der Gebäudeaußenseite zusammenfallende nördliche Längswand auf einem tiefergründenden Mauerverband ruhte, die übrigen Wände sich aber frei über dem blanken Erdboden erhoben, bedingte die nachträgliche Einbringung von Fundamenten. Der Hausherr ging deshalb daran, erst die südliche Längswand, dann die Eingangsseite im Westen mit betonierten Streifenfundamenten zu unterfangen.
Während der Ausschachtung der Fundamentgräben kamen im Bereich der südlichen und westlichen Kellerwand zahlreiche Keramikfragmente zum Vorschein, vorwiegend unglasiertes, poröses Material dunkelgrauer Farbe. Bei der Entfernung des restlichen Fußbodenbelags wurden längs der Kellernordwand hauptsächlich Rudimente glasierter Hafnerware, teilweise mit Malhorn- und Borstendekor verziert, gefunden. Beim Ausheben des östlichen Fundamentgrabens stieß der Besitzer des. Anwesens etwa 30cm unter Kellerbodenniveau auf einen menschlichen Schädel. Nachdem er wenig später einen zweiten Schädel und anderes menschliches Gebein freigelegt hatte, wurde ein ortsansässiger Heimatforscher und von diesem schließlich der zuständige Kreisheimatpfleger benachrichtigt, durch dessen Vermittlung die Fundmeldung an die Adresse der Erlanger Stadtarchäologie gelangte. Im Auftrag des Bayer. Landesamts für Denkmalpflege, Außenstelle Nürnberg, wurde dann am 13. September eine Sicherungsgrabung eingeleitet, an der sich neben Mitarbeitern der Er­langer Forschungsstelle ehrenamtliche Helfer des Heimatvereins Höchstadt beteiligten. Die insgesamt etwa drei Wochen dauernde Grabung führte zu erstaunlichen Resultaten. Es wurde eine ca. 2,70 m lange und 2,10 m breite Grube freigelegt, die Gebeine von wenigstens 30 Menschen enthielt. Die Toten waren auf engstem Raum begraben worden.

Anläßlich ihrer Bestattung hatte man das Gelände unter Ausnutzung seines natürlichen Gefälles quer zum Hang angeschnitten und auf diesem Niveau talwärts abgetragen, so daß bei horizontal verlaufender Sohle eine flache Grube mit dreieckigem Querschnitt entstand. Mit Sicherheit konnte sie keine 30 Leichen aufnehmen. Die beigesetzten Körper mußten, selbst wenn sie teilweise unvollständig waren oder von Kindern stammten, das Grab geradezu überhäuft haben. Man hatte sie deshalb notdürftig mit einer dünnen Schicht aus bauschutt-, feldstein- und aschedurchsetzter Erde überdeckt. Kreuz und quer übereinander geschichtet waren die Toten offensichtlich ohne jeglichen Bestattungsritus schnell unter die Erde gebracht worden. Die verrenkten, z. T. wie in Abwehrhaltung erstarrten Skelette boten einen bizarren Anblick (Abb. 104). Trotz Hanglage und sandigem Untergrund befanden sich die Knochen in relativ gutem Erhaltungszustand. Neuzeitliche Begleitfunde, wie bleierne Gewehrkugeln, malhorndekorierte Keramikfragmente, ein tönerner Pfeifenkopf u. a., schieden eine Datierung in prähistorische oder frühmittelalterliche Zeit mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit aus. Ebensowenig ließ die unmittelbare Nachbarschaft des Begräbnisortes zum vormaligen Bischofsschloß den Schluß zu, es könnte sich bei den verscharrten Toten um Seuchenopfer oder hingerichtete Gesetzesbrecher handeln.

Kam nun als Anlaß dieser pietätlosen Massenbestattung ein stadthistorisch greifbares Ereignis in Frage, das dem vorläufigen Grabungsbefund entsprach, so nur die eingangs erwähnte Vernichtung Höchstadts durch schwedisch-weimarische Truppen anno 1633. Letzte Zweifel an der Identität der Toten beseitigte schließlich ein Münzfund, der mit Hilfe eines Metallsuchgerätes gemacht wurde. Etwa in Hüfthöhe eines intakten Skeletts, dort wo sich die Hosentasche oder der Geldbeutel des Toten befunden haben könnte, kamen nämlich sechs z. T. sehr gut erhaltene Silbermünzen zu­tage, deren jüngste, ein Salzburger Taler, in das Jahr 1628 datiert. Beim Sieben des umgeben­den Erdreiches wurden zudem vier goldene Gegenstände - ein Siegelring mit Jahreszahl 1570, ein Filigrananhänger, eine kubische Kruzifixanhängerfassung und ein keltischer Stater (Regenbogenschüsselchen) - gefunden, die ebenfalls im Besitz des Toten gewesen sein könnten. Sein Leichnam wird, vielleicht weil er übel zugerichtet oder bereits in Verwesung übergegangen war, entgegen den damaligen Gepflogenheiten ungeplündert unter die Erde geraten sein.

Somit erübrigte sich die Suche nach dem möglichen historischen Hintergrund des entdeckten Massengrabes. Ein vorläufiges Gutachten der Anthropologischen Staatssammlung München bestätigte wenigstens im Falle dreier untersuchter Schädel die durch äußere Gewalteinwirkung, eventuell Säbel- und Streitkolbenhiebe, erfolgte Todesursache. Es sei noch erwähnt, daß bei Sondierung des Bodens außerhalb des Grubenbereiches vor der westlichen und längs der nördlichen Kellerwand mehrere Pfostenlöcher auftauchten, die zusammen mit den vorher erwähnten (grauen) Keramikfragmenten und zahlreichen Abschlägen, die sich in den Sedimenten fanden, auf eine frühe Besiedlung des Fundortes hinweisen. Die endgültige Auswertung des Grabungsbefundes, in deren Verlauf das gesamte Fundmaterial vorgestellt und auch die Baugeschichte des Anwesens eingehend behandelt werden soll, wird im Rahmen einer ausführlicheren Veröffentlichung erscheinen.

Eckart Wangerin, Ein Massengrab aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges in Höchstadt a. d. Aisch, in: DAS ARCHÄOLOGISCHE JAHR IN BAYERN (1985), S. 157-159.